DRAMA – no more?

11.05.2020

Das wäre schade. Denn was wären wir, was wäre unser Leben ohne jede ‚Handlung‘ (altgriechisch δρᾶμα dráma)?

Es gibt so einiges, wo ich mich wundere, dass wir dies nicht alle spätestens in der Schule gelernt haben. Kommt aber einfach nicht im Lehrplan vor. Dabei können Dinge wie diese unser Leben mit uns und unser Zusammenleben mit anderen Menschen um ein Vielfaches leichter und schöner machen helfen. Wenn du diese Modelle kennen gelernt hast, kannst du dich und dein Verhalten besser verstehen – sowie Begegnungen mit Menschen gelassener erleben und gewinnbringender gestalten.

Um diese Themen geht es hier:

  1. Drama gehört in unser aller Leben
  2. Die Drama-Paradoxa
  3. Warum wir ständig im Drama-Dreieck springen
  4. Wie du glücklicher im Dramödien-Vieleck lebst

Wenn du zu diesen Themen etwas für dich brauchst, sprich mich an.

Drama gehört in unser aller Leben

Ok, Drama = ‚Handlung‘ meint hier eigentlich nicht unser Leben, sondern eine der erzählenden Kunstformen neben der Epik und der Lyrik. Also Texte, die vielfach in Form von Dialogen eine Handlung erzählen.

Und trotzdem – Episoden in unserem Leben haben viel von den beiden bekanntesten Formen des Dramas. Der Komödie, die in heiterer Form über die ganz menschlichen Schwächen mit gutem Ausgang für die Heldenfigur erzählt. Der Tragödie, für dessen Hauptfigur ein schicksalhafter Konflikt ein schlechtes Ende vorsieht. Und alle Mischformen, wie die Dramödie und die Tragikomödie.

Du wirst vermutlich für Sequenzen in deinem Leben nur selten Begriffe wie Drama, Komödie oder Tragödie gesprochen oder gedacht verwenden, denn das sind eher theatralisch besetzte und für uns übersteigerte Begriffe. Gelernt haben wir, die Bälle und Wogen flach zu halten. ‚Du machst aus allem immer gleich so ein Drama‘ und ‚Drama-Queen’ sind nicht positiv besetzt. Nur, was macht das mit uns? Das ist wie beim essen die Nase zu zuhalten – macht satt, schmeckt aber nach nichts. Oder wie die Musik zu leise drehen – keine Dynamik und du verstehst die Texte nicht. Episoden in unserem Leben sind -im guten Sinne- mindestens so dramatisch wie die Filme aus Bolly- oder Hollywood, wenn wir uns das erlauben. Zu wenig Drama kann uns frustrieren, zu viel Drama kann uns zermürben.

Erst im Rückspiegel des Lebens, geben wir den Geschichten auch und vor allem durch unsere Bewertung den Charakter. Gleiche Geschehnisse sehen und erzählen beteiligte Personen später daher in ganz unterschiedlichem Licht.

DRAMAKING
ER

Weißt Du noch, das Drama mit dem Reiseveranstalter damals im Urlaub auf Zypern?????‍♂️

19:48
SIE

Wieso? Das war doch am Ende ganz lustig. So haben wir wenigstens ’ne coole Story zu erzählen.????‍♀️

19:50

Ob wir eine Handlung als Komödie oder Tragödie abspeichern -auch wenn wir ihnen vielleicht nicht diese Namen explizit geben, hängt nicht hauptsächlich von den Geschehnissen ab, sondern von uns. Von unseren situativen Stimmungen, unsere Haltungen und Einstellungen aus Vorerfahrungen, und am meisten von dem, was wir bewusst und unbewusst gelernt haben. Diese Filter bilden sich vor allem in unserer Kindheit, lange bevor wir unserer eigenen Entwicklung bewusst werden.

Zeit heilt nicht alle Wunden, aber die, die heilen, schon. Unser Blick auf Erlebtes ändert sich. So können wir irgendwann auch über solche Dramen lachen, die uns jahrelang betrübt haben. Und auch Abschnitte, die wir immer als leicht, heiter oder positiv gesehen haben, können in einem anderen Licht erscheinen. Das liegt sowohl an Verjährung und Verklärung – aber auch an einem Zugewinn an Erfahrungen. Vermeintlich Schlimmstes wird abgelöst durch Schlimmeres, vermeintlich Bestes wird getoppt durch noch besseres. Anfangs Neues kann uns anstrengen, bald aber durch wiederholung normal werden. Und das Lernen, dass sich dies so entwickeln kann, verändert auch unsere Blicke auf Neues und Erlebtes. Gelassenheit, die nicht Abgestumpftheit ist, kann unsere Sinne frei halten für intensiveres Erleben, solange wir unsere Neugier erhalten.

Die Drama-Paradoxa

Ja, Paradoxa – Mehrzahl. Paradoxon Nummer eins ist, Self-fulfilling prophecy – also selbsterfüllende Vorhersage. Ich finde selbsterfüllende Antizipation trifft es besser. Paradoxon Nummer zwei ist, unser gelerntes Vermeidungsverhalten bei gleichzeitiger Reizsehnsucht.

I. Drama Paradoxon ‚Selbsterfüllende Antizipation‘

Die selbsterfüllende Vorwegnahme einer erwarteten zukünftigen Entwicklung beeinflusst unser Verhalten, das Verhalten anderer und damit auch die gesamte Handlung und Entwicklung. Das ist ein Verzerrungseffekt, der es uns schwerig macht, unvoreingenommen und unbeeinflusst Situationen zu erleben. Sobald wir Teil eines Geschehens sind, haben wir Einfluss – ob wir wollen, oder nicht. Du kennst sicher das Phänomen, das sich Situationen quasi mit Ansage wiederholen und sich bestätigt, was wir ja schon immer gewusst haben. ‚Ich kann einfach keine Reden halten.‘, ‚Bei so etwas habe ich nie Glück.‘, ‚War klar, dass ich wieder an so einen Typen gerate.‘, und so weiter. Und auch, dass ein Bemühen es diesmal anders zu versuchen, nicht unbedingt von Erfolg gekrönt ist.

Tückisch ist, dass wir mit sehr feinen Sensoren eher reflexhaft auf sich ankündigende Muster reagieren, die bei uns positive oder negative Assoziationen hervorrufen. Somit beeinflussen wir unser Denken und Handeln im Ist – und entscheiden, worauf wir uns aktiv einlassen – oder wem und was wir aus dem Weg gehen. Und andere lernen unsere Muster zu deuten, so dass wir auch von außen eigentlich immer nur noch so angesprochen werden, wie wir unsere Außenwahrnehmung geprägt haben. Ausgesprochen klingt das dann so, ‚Ich hab dich gar nocht gefragt, ob du mit willst – bei so was, kommst du ja sowieso nie mit.‘, oder ‚Ich hab‘ dir lieber nix vorher gesagt, weil du dann immer gleich so ausrastest.‘. In der Physik ist einer der hier wirkenden Faktoren das Beobachterprinzip, d.h. dass die Messvorrichtung -das sind in dem Falle wir- selbst Einfluss auf das Messergebnis hat. Der andere Effekt ist das Erste Newtonsche Gesetz, sodass Körper -das sind wieder wir- im Ruhezustand oder einer gleichförmigen Bewegung verharren, sofern wir nicht durch Kräfte zur Änderung gezwungen werden.

Besser wäre, wenn wir uns häufiger locker machen könnten und zu unserer und anderer Überraschung unterschiedlich auf Gegebenheiten reagieren oder mit Gelegenheiten umgehen. Für IT’ler: den Browser-Verlauf löschen, den der letzten Stunde – oder den gesamten Verlauf. Wir können nicht nicht Einfluss nehmen – jedoch können wir uns bemühen, unseren systemischen Einfluss zu verstehen und weder auf der Bremse unseres Lebens zu stehen, noch an den für uns guten Dingen vorbeizurasen.

II. Drama Paradoxon ‚Vermeidungsverhalten‘

Vermeidungsverhalten ist eigentlich ein für uns alle wichtiger und erfolgreicher Überlebensinstinkt. Lieber kurz feige, als lange tot. Lieber eine höchstwahrscheinlich peinliche Situation umgehen. Lieber eine mögliche Verletzung vermeiden. Wie bei allen Filtern, ist nur das Problem – sie filtern mehr als wir eigentlich wollen oder wollen sollten. Wahrscheinlich hat die Natur deswegen den Gegenpol geschaffen – oder wie im dritten Newtonschen Gesetz formuliert – Kräfte treten immer paarweise und gleich und entgegengesetzt auf. Unserem Vermeidungsverhalten steht unsere Neugier und unser Hunger nach Reizen gegenüber. Wir sind gierig auf das Neue und haben Lust es auszuprobieren, wir suchen den Kick – obwohl unser Vermeidungsverhalten uns mahnt, dass es ein Risiko sein könnte. Je größer das Tabu, desto größer die Versuchung. Je länger die Entsagung, desto geringer die Schwelle. Am süßesten sind die verbotenen Früchte.

In diesem Spannungsfeld erleben und erzeugen wir ganz eigene Dramen. Bad news – auch hier gibt es kein Cherry-Picking, d.h. wer mitspielt kann gewinnen und verlieren. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Die Gratwanderung zwischen dem positiven Kick und der Angst vor Kontrollverlust und der vermeintlichen Blamage oder Niederlage bleibt eine Gratwanderung. Wenn wir es lieben, neue leckere Speisen zu entdecken, wird uns auch mal was nicht schmecken. Wie soll Friedrich Hebbel so schön formuliert haben, „Man kann ein Drama durch Kürzen verlängern.“.

Die Kunst ist also nicht, den Handlungen aus dem Wege zu gehen, sondern sich in ihnen möglichst lustvoll und gewinnbringend zu bewegen. Dazu helfen die folgenden Modelle, die ich hier kurz beschreibe. Wenn es ein paar Grunddinge gibt, die ich dir empfehle für dich zu erschließen – diese gehören unbedingt dazu.

Das Drama-Dreieck

Es dürfte wohl Zufall sein, dass das Dramadreieck von Stephen Karpman und ich im gleichen Jahr (1968) das Licht der Welt erblickt haben. Stephen Karpman hat als Student bei Eric Berne, dem Begründer der Transaktionsanlayse, studiert, und in Zusammenarbeit mit ihm dieses Modell entwickelt. Durch seine Liebe für das Theater und die Sicht, dass wir hier über Rollen sprechen, die wir einnehmen und nicht über Personen, prägten den Namen ‚Drama-Dreieck‘. Das Modell adressiert keineswegs das Theater, sondern die ganz alltäglichen Handlungen (Dramen) in unserem Leben sowie die Konflikte, die daraus entstehen können. Ein auf dem Kopf stehendes Dreieck symbolisiert drei Rollen, die wir in in Interaktionen mit uns und anderen Menschen einnehmen können und zwischen denen wir springen, Opfer – Verfolger – Retter.

Und wir springen ständig. Gut geeignet, unser eigenes – und das Verhalten anderer zu verstehen – und damit auch zu besprechen und zu ändern. Drei Rollen, die wir einnehmen und zwischen denen wir im Sinne Aktion und Reaktion wechseln – Opfer, Verfolger und Retter. Klingt klassisch und dramatisch – deswegen Drama-Dreieck. Nur spielen wir diese Rollen im echten Leben nicht, wir leben sie. Beispiel?

DRAMADREIECK BEISPIEL 1
ER IM OPFER-MODUS AUF DER SUCHE NACH RETTUNG

Manchmal hasse ich meinen Job!????

18:43
SIE - IM VERFOLGER-MODUS

…immer die gleiche Leier, du hast dir den doch selbst ausgesucht!????‍♀️

18:44
ER - KONTERT JETZT IM VERFOLGER-VERFOLGER-MODUS

Wenn du auch mal arbeiten würdest, müsste ich diesen Scheiß-Job ja nicht machen!????

18:44
SIE - JETZT ANGEPISST IM HALBVERFOLGER HALBOFER-MODUS

Du weiß genau, dass ich mich um UNSERE Kinder und alles hier kümmere!

18:45
ER - VOM RETTER- IN OPFER-MODUS

…hast ja recht, tut mir leid. Ich krieg das schon irgendwie hin. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun sollte.????

18:46
SIE - IM RETTER MODUS

…komm Schatz, hier, jetzt essen wir erst mal was Leckeres!????

In der Aktion und Reaktion schubsen wir uns in Rollen, je nach dem wie wir grad drauf sind, wie unsere Beziehung steht und was die Situation provoziert. Nicht nur zu zweit, auch allein in inneren Dialogen sowie in Gruppensituationen. Kein Wunder, wenn du immer das Opfer bist, wenn du immer die Opferrollenkarte ausspielst. Kein Wunder, dass immer alle dich als Retter erwarten, wenn du immer alle in jeder Situation rettest. Kein Wunder, dass Leute keine Freude am Austausch mit dir haben, wenn du immer gleich den Verfolger auspackst. Wenn unser Leben aus Handlungen (Dramen) besteht, dann solltest du mehr Rollen gut einnehmen können.

Manche unter uns haben zwar nie dieses Modell kennen gelernt, spielen die Klaviatur jedoch sehr geschickt und manipulieren ihr Umfeld wie es ihnen beliebt. Honig um den Bart schmieren. Einlullen. So über den Tisch ziehen, dass du die Reibung als Nestwärme wahrnimmst. Wie jede Manipulation eine Gratwanderung, denn hier geht es um Kontrolle und Macht, um Nähe und Distanz und um Übergriffigkeit, wenn nicht alle Beteiligten gleichberechtigt agieren können.

In schlimmen Fällen, erfolgt diese Manipulation auch böswillig im Kontext von Missbrauch oder Mobbing. In Gruppensituationen können sich Mehrheiten bilden, d.h. viele Verfolger, ein Opfer, kein Retter, die tragische Dynamiken provozieren. In Abhängigkeitsverhältnissen, wie Eltern-Kind, Chef-Mitarbeiter, Auftraggeber-Auftragnehmer, aber auch in ungleichen Beziehungen, können den vermeintlichen Opfern diese Rollen gefühlt als einzige Rolle möglich sein, und sie sind damit einem Gegenüber, das taktisch-manipulativ zwischen Verfolger-Retter-Opfer wandelt, ausgeliefert.

In den Interaktionen bilden sich nicht immer nur die Pärchen aus Opfer-Retter, Verfolger-Opfer, etc., sondern manchmal gibt es einen regelrechten Über- oder Unterbietungswettbewerb. Achte mal drauf – wenn vor allem Männer sich ohne einvernehmlich geklärte Situations- oder Hackordnung begegnen – beide buhlen um die ‚Verfolger‘ Position, um auf keinen Fall Opfer zu sein – und nur dann Retter, wenn dies mehr Ruhm und Ehre verspricht. Wer ein Anschaungsbeispiel sucht – Trump und Macron bei Presseterminen in Washington im April 2018. Der Spiegel hat hier ein herrliches Video zusammengestellt.

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Mehr Informationen

Es gleicht einer Posse, wenn hier nicht zwei Staatsmänner von Atommächten die Protagonisten wären. Die Mechanismen des Drama-Dreiecks kennen zu lernen und anzuwenden verstehen, ist Grundwissen und -Können für eigentlich alle Menschen. Im besten Falle geht es nicht darum, sich Vorteile gegenüber anderen zu deren Nachteil zu verschaffen, sondern diese Aktionen-Reaktionen zu verstehen, den Personen und Situationen angemessen zu begegnen und vor allem die eigenen Automatismen zu verlassen, um durch ein geändertes Verhalten andere Lösungswege zu finden.

Wie du glücklicher im Dramödien-Vieleck lebst

Als wenn’s so einfach wär. Ein Dreieck, drei Rollen. Stephen Karpman hat in seinen Schriften ausführlich beschrieben, wie komplex die Überlagerung mit Ichzuständen, inneren und äußeren Dramadreiecken, manipulativen Aspekten und vielem mehr ist. Wenn du das Drama-Dreieck für dich gut als Modell verwenden kannst, lohnt der Schritt in die nächste Dimension.

Das Dramödien-Vieleck. Diese Namensgebung drückt für mich Zweierlei gut aus – die Chamälioneigenschaft von Handlungen, in dem sie vorhersehbare und unvorhersehbare Wendungen bereit hält, nicht immer ist, was es scheint und diesen Zustand auch nicht ewig behält. Was dem einen seine Komödie, ist dem anderen seine Tragödie.

Vieleck, da weder wir selbst, noch wir mit anderen zusammen nur die drei Rollen einnehmen – sondern deutlich mehr. In diesem Modell verstehst du noch besser, wie bewusste und unbewusste Rollen, z.B. die des Saboteurs, die des Beschützers, die des Narren, die von Stellvertretern u.s.w. das Zusammenspiel irritierend beeinflussen. In einer komplexen Welt und in komplexen Handlungen unseres Lebens, ist es wichtig die Rollen zu erkennen und Handlungsoptionen zu haben, um in dem Wirrwarr glücklich zu werden – oder zu bleiben.

Wikipedia: Drama-Dreieck

Wikipedia: Dramatic Triangle (Englisch)

Homepage: Karpman Drama Triangle

Wikipedia: Newtonsche Gesetze

Wikipedia: Vermeidungsverhalten

Filme, die sich in diesem Kontext lohnen? Gott des Gemetzels (2011)..