LEBENSTREPPE – quo vadis?

30.05.2020

Das kurz vorweg: Das Titelbild zeigt die unbedingt besuchenswerte Großskulptur ‚Tiger and Turtle‘ von Heike Mutter und Ulrich Genth in Duisburg-Angerhausen.

In diesem Blogbeitrag geht es um möglicherweise die wichtigste Fragestellung für uns alle:

  • Was machst du aus deinem Leben?
  • Wo steht du auf deiner Lebenstreppe?
  • Wie lebst du carpe diem?
  • Wie nutzt du die Zeit, die du hast?
  • 1964er, schon zur Trauerfeier eingeladen?
  • Lohnt das noch, oder kann das weg?

Für den Fall, dass du lieber gleich was praktisches machen willst – probiere unseren CARPEDIEMNAVIGATOR!

Was machst du aus deinem Leben?

Das ist eine dieser blöden Fragen, die wir eigentlich erst am Ende richtig bewerten und beantworten können – dann ist es nur leider zu spät. Der Däne Søren Kierkegaard hat das um 1840 treffend formuliert,

„Es ist ganz wahr, was die Philosophie sagt, daß das Leben rückwärts verstanden werden muß. Aber darüber vergißt man den andern Satz, daß vorwärts gelebt werden muß.“

Søren Kierkegaard, Quelle: Wikiquote

Klar ist, auf dem Sterbebett soll kaum jemand je gesagt haben ‚Hätt‘ ich mir bloß mehr Sorgen gemacht!‘, oder, ‚Hätt’ ich bloß weniger schöne Dinge erlebt!, oder, ‚Wäre ich bloß nicht so glücklich gewesen!‘. Nur, wie lösen wir dieses ‚hinterher-ist-man-schlauer‘ Paradoxon? Wie können wir uns die Endlichkeit unseres Lebens frühzeitig wirklich begreifbar machen, wenn es sich noch so unendlich anfühlt? Wenn wir erst auf die kleinen und großen Midlife Krisen warten, haben wir leider schon einen großen Teil unseres Lebens hinter uns. Immerhin – es ist nie zu spät für die noch kommenden Jahre etwas zu ändern.

Da du das hier liest, lebst du, und ich kann dich fragen, was machst du aus deinem Leben? Und wenn du an Wiedergeburt oder ähnliche Konzepte glaubst, konkretisiere ich meine Frage, was machst du aus diesem deinem Leben? Sich treiben lassen, einfach in die Tage hinein leben? Noch auf der Suche? Einem größeren Plan folgen und konsequent auf ein oder mehrere Ziele hin handeln? Die gute Nachricht: Keiner muss, jeder darf. Es ist keine Frage von müssen – sondern eine Frage von dürfen und wollen. Vorausgesetzt unsere Grundbedürfnisse sind einigermaßen gesichert, können wir entscheiden, wie wir unser Leben gestalten, wir dürfen es genießen und glücklich sein. Mein Tipp: Nicht nur ein bisschen, sondern so viel es uns gelingt und gut tut.

Wo stehst du auf deiner Lebenstreppe?

Lebenstreppe? Diese bildhafte Darstellung des Lebensverlaufs ist aus der Mode gekommen – was schade ist. Jede dieser Darstellungen kann der Impuls sein, sich über das eigene Leben und den Verlauf Gedanken zu machen, und vielleicht auch Dinge anders zu gestalten. Erste Darstellungen sind aus dem 16. Jahrhundert überliefert – wir können jedoch sicher sein, dass diese Idee der Visualisierung viel älter ist und schon mit Stöcken in den Sand gezeichnet wurde. In Wikipedia ist diese Darstellung aus der Zeit um 1850 erhalten. Eine Einteilung in zehn Lebensabschnitte, um die Fünfzig der Lebenshöhepunkt, bis dahin stetig bergauf, danach stetig bergab. Diese Darstellung meinte und zeigte natürlich nicht den Bevölkerungsdurchschnitt, denn der wurde nur Ende Dreißig und hatte keine Chance, sich bis fünfzig Wohlstand und Status zu erschaffen, geschweige denn, so friedlich so alt zu werden.

Lebenstreppe (Quelle: Wikipedia)

Also, wie sähe deine Lebenstreppe aus – und wo stehst du gerade? Geht deine Treppe im Sinne einer Entwicklung stetig aufwärts, oder glaubst du daran, dass nach der Lebensmitte alles nur noch bergab geht? Ist deine Lebenstreppe eine Rolltreppe oder ein Laufband? Ich bin kein Fan einer festen Lebensplanung, denn das Leben steckt voller Überraschungen, denen wir auch eine Chance geben sollten mit der Flexibilität jeweils das beste draus zu machen. Jedoch bin ich ein Fan von gelegentlicher Perspektivenentwicklung und regelmäßigen Standortbestimmungen, um sicher zu gehen, dass du glücklich bist, da, wo du grad auf deiner Lebenstreppe stehst, und das du zuversichtlich und lustvoll auf die kommenden Etappen schaust.

Die Arbeit mit dem Modell der Lebenstreppe kann für dich sehr wertvoll sein. Welche Metapher dann für dich die gewinndringendste ist, wird ein Teil der Arbeit sein. Dazu biete ich verschiedene Formate an – auch im Zuge einer persönlichen Entwicklung im Coachingprozess. Wenn du daran Interesse hast, schau‘ gern bei den Angeboten nach.

Ob wir es Glück, Schicksal, Fügung oder Zufall nennen – unser Leben bleibt immer auch eine Wundertüte. Aus dieser Wundertüte das beste zu machen – das erscheint mir der sinnvollste Weg. Oder anders formuliert:

„Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man bekommt.“

(Forrest Gump, Film, 1994)

„Leben ist das, was passiert, während du beschäftigt bist, andere Pläne zu machen.“

(John Lennon, aus „Beautiful Boy (Darling Boy), Quelle: Wikiquote“)

Wie lebst du carpe diem?

Im Kontext Lebenstreppe ist natürlich die Frage, wie du die ca. 30.000 Tage nutzt, die du statistisch zur Verfügung hast. Viel zitiert, oft missverstanden: CARPE DIEM. Lateinisch bedeutet es wörtlich: „Pflücke den Tag“. Gemeint war hier wohl eigentlich eine naturverbunden-demütige Haltung. Hier die kompletten acht Zeilen für die Lateiner, derer ich keiner bin, und die Wikipedia Übersetzung:

„Tu ne quaesieris (scire nefas) quem mihi, quem tibi
finem di dederint, Leuconoe, nec Babylonios
temptaris numeros. Ut melius quicquid erit pati!
Seu pluris hiemes seu tribuit Iuppiter ultimam,
quae nunc oppositis debilitat pumicibus mare
Tyrrhenum, sapias, vina liques et spatio brevi
spem longam reseces. Dum loquimur, fugerit invida
aetas: carpe diem, quam minimum credula postero.“

„Frage nicht (denn eine Antwort ist unmöglich), welches Ende die Götter mir, welches sie dir,
Leukonoe, zugedacht haben, und versuche dich nicht an babylonischen Berechnungen!
Wie viel besser ist es doch, was immer kommen wird, zu ertragen!
Ganz gleich, ob Jupiter dir noch weitere Winter zugeteilt hat oder ob dieser jetzt,
der gerade das Tyrrhenische Meer an widrige Klippen branden lässt, dein letzter ist,
sei nicht dumm, filtere den Wein und verzichte auf jede weiter reichende Hoffnung!
Noch während wir hier reden, ist uns bereits die missgünstige Zeit entflohen:
Genieße den Tag, und vertraue möglichst wenig auf den folgenden!“

Quelle: Wikipedia, ‚Carpe Diem‘, aus der Ode „An Leukonoë“ des römischen Dichters Horaz (Quintus Horatius Flaccus), 23 v. Ch.

Das schöne an Zitaten ist ja, das nahezu alle Auslegungen erlaubt sind. ‚Nutze den Tag‘ verstanden als unverbindliches ‚Wär doch schön, den Tag fröhlich zu nutzen‘ kann förderlich inspirieren, während ‚Nutze den Tag!‘ im Sinne, ‚Hau rein, rausholen, was geht‘ kann destruktiv frustrieren. Auch wenig förderlich finde ich die Auslegung, ‚heute prassen, nach uns die Sintflut‘. Das führt potentiell zu Wohlstandskrankheiten bei uns, Nachteilen für andere und Wachstumsschmerzen der Umwelt. Aufschieberitis war mit CARPE DIEM auch nicht gemeint. Genauso wenig wie Schwarzmalerei und ständiges in Sorge leben, was wohl morgen und danach alles schlimmes kommen könnte.

So platt es klingt, wenn du glücklich sein willst, sei glücklich! Das allein wird es noch nicht bewirken, jedoch ist das ein großer Schritt in eine bessere Richtung. Den Rest kannst du für dich lernen und entwickeln. Ich empfehle dir, möglichst jeden Tag zu genießen, sich an den Dingen zu erfreuen, die dir und anderen möglich sind, dankbar zu sein für das Leben, möglichst jeden einzelnen Tag zu würdigen und zu wertschätzen! Heißt nicht, die gemütlichen Sofa- oder Betttage wegzulassen, denn chillen und abhängen ist auch eine wichtige Form von genießen und nutzen.

Hier zwei -wie ich finde- sehr schöne Perspektiven auf CARPE DIEM: hat Das erste von Arthur Schopenhauer, der auch einige sehr schräge Weltansichten von sich gegeben hat, die ich nicht teile.

„Jeder Tag ist ein kleines Leben – jedes Erwachen und Aufstehen eine kleine Geburt, jeder frische Morgen eine kleine Jugend, und jedes zu Bett gehen und Einschlafen ein kleiner Tod.“

Arthur Schopenhauer, Quelle: Parerga und Paralipomena, Band I. Aphorismen zur Lebensweisheit. Kap. 5: Paränesen und Maximen, 1851

Erstaunlich, dass Schopenhauer die goldene Ära zwischen Jugend und Alter auslässt. Vielleicht hatte er angesichts seiner letzten Lebensphase (gestorben 1860) nur noch den verträumten Blick für die Kindheit und Jugend. Korrekt müsste es ja heißen, Jeder Tag ist ein kleines Leben – jedes Erwachen und Aufstehen eine kleine Geburt, jeder frische Morgen eine kleine Jugend, jede Mittagszeit ein kleines Erwachsen, jeder Nachmittag eine kleine Ernte, jeder Abend ein kleiner Lohn des Lebens – und jedes zu Bett gehen und Einschlafen ein kleiner Tod.“

„Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden.“

Herkunft unbekannt.

Wie nutzt du die Zeit, die Du hast?

Weißt du überhaupt, wie viel Zeit du hast? Nein? Kaum einer weiß das. Erstaunlich – aber nicht ungewöhnlich. Die meisten derer, die ich frage, können das nicht aus dem Stegreif beantworten. Ist das nicht merkwürdig? Wollen wir das nicht wissen? Ist es zu abstrakt-komplex, als das wir es wissen wollen?

Wir alle haben nur eine bestimmte Zeit in diesem Leben, je nachdem wie glücklich unser Genmix, unser Geburtsort und unser Lebensverlauf so ist. Auf letzteren zumindest hast du reichlich Einfluss. Statistisch gesehen haben wir in unseren Breiten je nach Geschlecht durchschnittlich zwischen 79 und 86 Jahre Lebenserwartung zur Zeit, das sind um die 30.000 Tage. Eine dieser großen Zahlen, zu groß, um sie begreifen zu können. Klingt nach Tagen im Überfluss. Und doch nicht unendlich. 10.000 Tage schreiten wir durch unsere Kindheit und Jugend sowie durch die letzten 10 Lebensjahre, in denen wir hoffentlich noch viel – erfahrungsgemäß jedoch nicht mehr alles tun können, was wir uns wünschen. Bleiben 20.000 Tage, die wir bewusst und mit fast allen Möglichkeiten nutzen können. Rund ein Drittel davon verpennen wir jedoch, biologisch sehr notwendig und oft ja auch herrlich wohltuend – bleiben uns dann jedoch ’nur‘ noch rund 13.000 Tage für die aktive Gestaltung. Das sind rund 35 Jahre. Immer noch sehr viel – jedoch irgendwie überschaubarer.

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Also, wie nutzt du dein verbleibendes Leben? Bei so manchem, den ich danach frage, erlebe ich, dass gelebt wird, wie eingekauft wird. Das Einkaufszettel-Phänomen: Das reicht von gar-kein-Zettel zu minutiöser A4-Zettel großer Planung, welches Produkt zu welchem Preis wo eingekauft werden soll, von loser Gedankensammlung in Stichworten auf einem Schmierzettel zum zuhause liegen lassen, zu, planlos-intuitivem shoppen im Sinne von mal-sehen-was-es-gibt und worauf ich dann Lust hab bis hin zu verzettelten Doppelkäufen von Dingen, die nicht gebraucht wurden und zhause noch vorhanden sind, sowie dem Vergessen von den Dingen, die tatsächlich gebraucht wurden. Tatsächlich selten erlebe ich, dass mir Menschen begegnen, die sich ihrer selbst und der verbleibenden Zeit im guten Sinne bewusst sind, und die Zeit, die sie haben, lustvoll und bewusst gestalten und leben. Carpe diem und haushalten geht besser, wenn wir eine für uns passende Idee und Skizze haben, die wir immer mal zur Hand nehmen und aktualisieren. Wie einen Einkaufszettel.

1964er – schon zur Trauerfeier eingeladen?

Ein sogenannter ‚Babyboomer‘, geboren zwischen Mitte 1950 bis Ende 1960, die Generation vor dem ab 1965 deutlich spürbaren Pillenknick, sagen wir mal aus dem geburtenstärksten Jahrgang 1964, hat aktuell eine statistische Lebenserwartung von ca. 80 Jahren. Zugespitzt heißt das, statistisch also für spätestens 2044 schon mal zur Trauerfeier einladen. Nur statistisch, versteht sich. Viel wichtiger finde ich – was machst du aus der Zeit bis dahin? Carpe diem’st du genug?

So um die Lebensmitte, also für die 1964er um 2005, Zeit für Midlife-…, was? Crisis? Bergfest? Das Modell der Lebenstreppe sieht dich quasi auf der Höhe deines Lebensweges – von jetzt an geht’s bergab. Eigentlich geht’s schon lange bergab, körperliches Wachstum, Leistungsfähigkeit inklusive Zeugungsfähigkeit und Zellerneuerung hat ihren Höhepunkt bereits um Mitte Zwanzig gehabt. Das Beste kann trotzdem immer noch kommen, wenn du es zulässt, oder gar was dafür tust.

Lohnt das noch, oder kann das weg?

Erschreckend finde ich Antworten, wie, ‚was soll ich jetzt noch groß ändern – lohnt ja eh nicht mehr – und überhaupt, ich hab‘ doch schon alles erlebt.‘. Viel Verständnis habe ich für Lebenswege, die Menschen zu solchen Sichten führen – und auch für ein selbstbestimmtes Ende – traurig macht mich jedoch, wenn diese Haltung zu einer selbsterfüllenden Prophezeihung wird, obwohl es andere Möglichkeiten gäbe. Lange leben wollen wir, nur alt werden, will keiner, soll Jonathan Swift sinngemäß gesagt haben. Ich bin überzeugt, dass wir, solange wir morgens gern aufstehen, und uns auf jedes Schopenhauersche kleine Leben des Tages freuen können, lustvoll bis zum letzten Tag unser Leben gestalten können. Rückschläge und Katastrophen inklusive.

Und das gilt nicht nur für die individuelle Lebensfreue, sondern auch für alles was wir für und bei anderen Menschen bewirken können, sowie den Fußabdruck, den wir hinterlassen. Spätestens jetzt, schau‘ dir mal unseren CARPEDIEMNAVIGATOR an und probiere aus, welche Wirkung du auf die Statistik deines eigenen Lebens – und damit auch das Leben anderer haben kannst. Nichts muss so laufen, wie es dir Statistiken sagen. Wenn du dich, lieber 1964er, entscheidest, täglich 5 Minuten mehr zu lachen, sind das über 750 Stunden mehr Lachen. Wenn du dich entscheidest jede Woche zusätzlich einen neuen Menschen wirklich kennen zu lernen, sind das immer noch mehr als wir durchschnittlich im ganzen Leben kennen lernen. Wenn du dich entscheidest ab jetzt nur ein Drittel weniger Fleich zu konsumieren, rettest du nicht nur deine Gesundheit ein bisschen, sondern umgerechnet fast 1000 Hühner oder 6 Schweine oder ein ganzes Rind.

Alles nur Statistik – und doch, es liegt in deiner Hand. Jeder Tag zählt. Wenn du dir Unterstützung wünscht, deine Lebenswege und -Treppen ab jetzt glücklicher zu gestalten, stöbere in meinen Angeboten und gestalte dein quo vadis, so wie du es willst!

Wikipedia: Quo Vadis

Wikipedia: Tiger and Turtle

Wikipedia: Lebenstreppe

Wikipedia: Horaz

Wikipedia: Carpe diem